Ein Bericht von Robert Kutschick:
Ich agierte mal wieder als Mannschaftsführer, weil sich Klaus beim Treppensturz die einzige Verletzung zugezogen hatte, die einen Schachspieler an der Ausübung seines Sports hindern kann: ein großflächiges Cluniumhämatom sinister, sprich einen riesen blauen Fleck auf der linken Pobacke (schockierendes Foto zeigte Klaus ungefragt auf seinem Handy).
Bei einer Schlagkombination verlor ich schon nach einer Stunde eine Figur, was wirklich selten vorkommt. Ich meinte, dank einer subtilen Deckungsmöglichkeit einen Bauern gewinnen zu können, aber mein Gegner hatte einen Zug weiter gerechnet als ich – 0:1. Im selben Moment, als ich meinem Gegner die Hand zur Aufgabe reichte, bot Antun seinem ein Remis, was zum Glück für alle Kiebitze abgelehnt wurde, aber dazu später. Remisieren konnte stattdessen erstmal Sven the Man, der sich nach einer extrem flott gespielten Partie im Turmendspiel einer 1:2-Bauernmehrheit gegenübersah. Er schaffte es jedoch, den Bauern zu tauschen und den dem Gegner verbliebenen erfolgreich zu blockieren.
Danach erreichte Petr mit einem weiteren Unentschieden das Ziel, welches er sich angesichts seiner heutigen Kränklichkeit gesetzt hatte. Von seiner offenbar soliden Partie habe ich leider nicht viel gesehen. Angesichts des 1:2-Rückstands zu dieser Zeit verbot ich daraufhin Illia, in seinem Endspiel mit Springern und entferntem Freibauern ein Remis anzubieten. Das hätte ich besser gelassen, denn kurz später waren die Springer getauscht und alle seine Bauern verschwunden, während der Gegner noch zwei hatte. Jeder andere hätte längst aufgegeben, aber Illia spielte es – wie wir ihn kennen – bis zum bitteren Ende, das für uns das 1:3 bedeutete. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt hätte ich keinen Heller mehr auf uns gewettet.
Während dieses Trauerspiels amüsierte sich allerdings Ludwig (Achtung doppeltes Wortspiel) „königlich“, agierte wie immer druckvoll und stellte seinen Kontrahenten vor diverse Herausforderungen. Der wehrte tapfer vieles ab, doch plötzlich schlug es unrettbar ein und er stand vor der Frage, ob er mit der Dame gegen das Turmpaar von Ludwig weiterspielen sollte – allerdings mit einer Minusfigur. Er entschied sich dagegen und so kamen wir immerhin auf 2:3 heran.
Nun zu Antun: sein Gegner hatte einen Zentrumsfreibauern herausgearbeitet. Als Kompensation verfügte Antun über einen entfernten Freibauern am Damenflügel. Irgendwie schaffte er es, die gegnerischen Schwerfiguren aus seiner Stellung herauszutreiben und weit in die andere Bretthälfte zu drängen. Als nur noch ein Turmpaar übrig war und Antuns Wanderkönig das Kommando endgültig übernommen hatte, boten sich gleich mehrfach Möglichkeiten, den Sieg einzufahren. Die übersah Antun aber leider – oder er hatte Spaß daran, seinen Gegner zu quälen (und uns). Der befreite sich peu a peu, brachte nun sogar seinen Freibauern auf die sechste Reihe. Ob die Partie danach noch objektiv gewinnbar war, wage ich zu bezweifeln. Doch Antun schuf sich mit Hilfe des weiterwandernden Königs nach Verlust seines Freibauern einfach einen neuen, der schließlich nur noch durch ein Turmopfer aufzuhalten war. So stand der Mannschaftskampf nun also unentschieden.
Bei Mikhail sah es dabei allerdings nicht so gut aus. Sein Damenläufer wurde von eigenen rückständigen Bauern blockiert, während der feindliche Springer reinzuhüpfen drohte. Mit der Kaltschnäuzigkeit der Grimberg-Schachfamilie besetzte er allerdings die offene h-Linie mit seinen Türmen, was den Gegner darüber grübeln ließ, wie er denn nun den König schützen soll. Er fand die richtige Lösung, wurde danach aber zu gierig. Durch einen Opferschlag, verbunden mit Springerschach, meinte er, einen Bauern gewinnen zu können. Zuerst glaubte ihm Mikhail dieses Manöver und begann schon zu verzweifeln, aber schnell bemerkten beide das Gegenschach, welches den verbliebenen Turm gewinnen würde. Unfassbar – die 4:3-Führung!
Alle Augen richteten sich nun auf die Partie von Vitaly, der nach langer Rochade schon seit Stunden einen Bauern auf a2 mit seinem König blockierte und allmählich in Zeitnot geriet. Gegen die schwarzen Springer und Schwerfiguren errichtete er aber eine Festung, die die Rajewski-Schanze wie eine Sandburg aussehen ließ. Folgerichtig schwand die Reiterei seines Gegner dahin und auch er fiel unter fünf Minuten Restzeit, so dass ich fleißig alle Züge mitschrieb. Wenige Sekunden vor der Guillotine machten beide dann doch noch ihren 40. Zug, so dass man nun ein Endspiel mit Materialasymmetrie entstand: Dame und Springerpaar gegen Dame, Turm und Bauer. Ich sah schon kommen, dass Vitaly zu erschöpft sein würde, um das für den Mannschaftssieg nötige Remis zu halten – das biblische Alter würde hier wohl seinen Tribut fordern. Aber es kam anders: jetzt schwärmte seine Kavallerie aus, attackierte die Tante, die tatsächlich in eine Springergabel lief. Der Gegner gab sofort auf – Applaus für unseren Methusalix, der uns damit die zwei längst verloren geglaubten Punkte sicherte!
Nach diesem Drama war Vitaly ziemlich fertig, ich euphorisiert, aber die Mannschaft aufgrund der Ergebnisse der anderen Vereine leider ohne Chance auf den Aufstieg. Es wird trotzdem weitergekämpft, auch wenn es wahrscheinlich nicht mehr so spannend wird, wie an diesem denkwürdigen Abend.
Schöner und spannender Bericht, Glückwunsch zu eurem hart erkämpften Sieg.
Danke & Danke!